Ganz Berlin fuhr diesen Kinderwagen

Als 1871 der Deutsche Nationalstaat entstand, verwandelten die Brüder Adolf, Hermann und Carl Reichstein die Korbmacherwerkstadt ihres Vaters in eine Brandenburger Firma. Es war Gründerzeit, gute Zeiten für Nachwuchs. Und so produzierten die Reichsteins Kinderwagen. Nicht nur in Berlin, auch in ganz Europa wurden die Babys in den Kinderwagen aus Brandenburg stolz über das Pflaster geschoben. Und wo ein Kinderwagen ist, ist das Fahrrad nicht weit. 1883 bauten die Reichsteins ein englisches Fahrradmodell nach. Die dann folgende Eigenentwicklung erhielt den wohlklingenden Namen "Brennabor", die alte Bezeichnung für Brandenburg. Dieser Name gefiel - und so übertrugen die Brüder ihn auf das gesamte Unternehmen. Die gute Qualität der Erzeugnisse ließ die Nachfrage wachsen. Deshalb erweiterten sie die Palette ihrer Produkte um die Herstellung von Motorrädern und ab 1907 auch um die von Automobilen. Diese rollten in hohen Stückzahlen vom Fließband auf die Straße. Die Weltwirtschaftskrise von 1929 beendete 1931, was 1871 so hoffnungsvoll begonnen hatte. In der Bahnhofsvorstadt kündet noch ein Teil der Fabrikgebäude von dem einstigen Unternehmen (1). Im Industriemuseum kann sich der neugierige Besucher in einer liebevoll gestalteten Sonderausstellung mit der Geschichte von "Brennabor" beschäftigen und seine Produkte bewundern. Jedes Jahr im August findet in Brandenburg eine Oldtimerrallye statt, an der auch Brennabor-Fahrzeuge teilnehmen. An der St.-Annen-Promenade befindet sich die Reichsteinvilla (2). Die Promenade kreuzt am Steintorturm die Steinstraße. In dem ehemaligen Wehrturm (3) aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts eröffnete der Historische Verein seine erste Ausstellung zur Stadtgeschichte - das war 1887. Heute wird hier eine Ausstellung zur Brandenburger Havelschifffahrt, die Brandenburg mit Berlin verbindet, gezeigt.